“Mit Herz und Hirn: 24 Ideen für Österreich”


Das SPÖ Wahlkampf-Vor-Programm

!m 27. April hat die SPÖ ihre hauptsächlichen Wahlkampf-Aktivitäten (70 Seiten), ihres Vorsitzenden Andi Babler veröffentlicht.

Es ist ein „Bottom-up“ Programm, das sich hauptsächlich den aktuellen Problemen der wahlberechtigten ÖsterreicherInnen widmet. Diese „Ideen“ sind angeblich Kurzform und Vorläuferinnen eines kommenden Gesamtprogramms. Als solche wirken sie wie das Wahlprogramm eines Bürgermeisters für seine Gemeinde, das – a la der KPÖ neu in Graz und Salzburg – die brennenden Sorgen der BügerInnen ernst nimmt und diese zu lösen versucht. Daran ist nichts Schlechtes, im Gegenteil. Die einzelnen Ideen sind – unterschiedlich – durchaus sinnvoll. Sie gehen, zB bei Bildung, Gesundheit, Steuern, Mieten, und anderes mehr, von den Verschlechterungen, bzw. dem negativen Status quo, aus, die in den letzten Jahren – nicht zufällig weil da die SPÖ nicht in der Regierung war – eingetreten sind und versprechen, den früheren, besseren (?) Zustand wieder herzustellen. Es ist also primär ein „konservatives“ Programm, das all jene überzeugen soll, die meinen, dass viel früher einmal besser war. (An den sprachlichen Zumutungen – im Gedenkjahr Karl Kraus – soll sich Armin Thurner vom FALTER abarbeiten).

Daran ist nichts grundlegend falsch, aber: es fehlt eine Zukunftsvision, eine Vorstellung, wie unsere Gesellschaft in Zukunft aussehen soll und was die SPÖ dazu beizutragen verspricht. Und eine solche Vision muss nicht nur mehr Zukunft enthalten, sondern auch über Einzelideen hinausgehen, die zusammenhanglos nebeneinander stehen. Das alles muß im künftigen angekündigten „Programm“ stehen.

Als Ökonom fällt mir besonders auf, dass die „Ideen“ vollkommen dem bestehenden Wirtschaftssystem verhaftet bleiben: kein Wort von der notwendigen „Zähmung“ der überbordenden Finanzmärkte, außer der Gewinnabschöpfung von Banken und der Verpflichtung dieser, ein mit derzeit 3% mindestverzinsten Sparbuch aufzulegen. Kein Wort von der Notwendigkeit der grundlegenden Veränderung unseres Produktions- und Konsumsystems angesichts der Klima- und Umweltkrise. Zwar wird der bereits bekannte 20 Mrd € schwere Transformationsfonds gefordert und die sinnvolle Idee eingebracht, alle Klimaförderungen zu bündeln, aber gleich wieder ad absurdum geführt als dies von der ÖBAG gemanagt werden soll: wann hat die ÖBAG jemals eine Förderung abgewickelt, warum greift man nicht, wenn man schon stolz auf den Einsatz bestehender Institutionen ist, auf AWS und/oder ERP-Fonds zurück? Und: wenn man die gesamte nur vage angesprochene Transformation zur ökologischen und digitalen Nachhaltigkeit nur in immer neuen Förderungen (primär für neue Technologien) sieht und kein Wort über notwendige (und kostengünstige) Regulierungen verliert, dann verfehlt man die Ernsthaftigkeit der Problematik. Und auch in der Budgetpolitik: hier betont die SPÖ die Wichtigkeit der Maastrichtkriterien ohne ein Wort zum eben wieder inkraft gesetzten Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verlieren, und geht nur darüber hinaus, indem sie die Ausnahme der „Goldenen Regel“ vorschlägt, also dass klimarelevante öffentliche Investitionen von der 3%-Grenze ausgenommen bleiben sollen – aber sonst bleibt alles beim Alten. Dass man Steuerschlupflöcher stopfen, Steuergerechtigkeit walten lassen und die sinnlose Senkung der Körperschaftsteuer auf 23% rückgängig machen will – ist alles wichtig, aber nicht neu.

Wie gesagt: Frauenlöhne anzugleichen, Arzttermine zu garantieren, mehr Polizisten einzstellen, „Behinderten“ gerechten Lohn zu zahlen, das Tierwohl zu fördern, Öffis auszubauen, beste Bildung unabhängig vom Einkommen zu machen, Kinderarmut zu beseitigen, 4-Tage Woche, Langzeitarbeitslosen eine Beschäftigungsgarantie zu geben, Grüne Technologie im Lande zu fördern, das Pensionsantrittsalter nicht zu erhöhen (was ist mit der in Gang gekommenen Anhebung des Frauen-Antrittsalters?), einen Bankomat je Gemeinde zu fordern, Lohntransparenz zu garantieren, verstärktes Augenmerk auf Frauengesundheit zu legen, Gewalt innerhalb und außerhalb der Wohnung zu bekämpfen, Integration durch raschere Beschäftigung zu erleichtern, Kleinunternehmer im Sozialsystem besserzustellen, das „beste Gesundheitssystem“ zu fordern, die Wasserversorgung sicherzustellen, ein Zeitungsabo für jeden zu bezahlen, Wohnen leistbar, ein Leben für Alte ohne Computer und mit Bargeld sicherzustellen, sowie ein faires Steuersystem (siehe oben) zu garantieren – all dies sind, trotz einiger skurriler Ideen, durchaus in der Lage zu zeigen, dass die SPÖ sich der so artikulierten Sorgen breiter Teile der Bevölkerung annimmt.

Aber eben: es fehlt eine übergeordnete Idee, die all diese (und andere?) Ideen bündelt und in wenigen Sätzen ein „besseres Leben für die Zukunft“ verspricht. Bis auf Einzelideen gibt es keine Zahl, was das alles kostet, keine Überlegung, was davon die Öffentliche Hand (auf welcher Gebietsebene) was der Privatsektor übernehmen soll.

Es bleibt somit ein typisches „Bürgermeisterprogramm“: Es zeigt den Menschen, dass die SPÖ ihre tagtäglichen Sorgen versteht und sich darum kümmern will. Aber es ist rückschrittlich, weil es „nur“ dorthin will, wo wir schon einmal waren. Die Erfordernisse der Gegenwart und vor allem der Zukunft, die Bewältigung der Klima- und Umweltkrise, das systembedingte immer stärkere Auseinanderklaffen von Einkommen und Vermögen, die Gefahr weiterer Pandemien, das gesellschaftliche Auseinanderdriften, die Bewältigung der Kriege in Nachbarschaft und auf der Welt mit ihren Folgen stärkerer Migration, die Position Österreichs (und Europas) in der sich verändernden Welt – all dies wird nicht angesprochen. Österreich wird – unausgesprochen – als isolierte Insel dargestellt, die allein für sich selbst verantwortlich ist. Die EU wird mit keinem Wort erwähnt: was Österreich dort soll, wie es österreichische und europäische Interessen miteinander kompatibel machen kann – Fehlanzeige.

PolitikwissenschafterInnen und PolitikberaterInnen werden beurteilen, ob dieses Vorprogramm wahlkampftauglich ist. Es mag dem österreichischen Provinzialismus entsprechen. Stellt man an ein Wahlprogramm andere Ansprüche wie Zukunftsorientierung, reicht es nicht.

1 Comment

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One response to ““Mit Herz und Hirn: 24 Ideen für Österreich”

  1. Christa Peutl

    Absolut. Bin 100% bei dir, die EU und globale Entwicklungen, geschweige denn systemkritische Ansätze, gibt es nicht. LG Christa Von meinem iPhone gesendet

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