Das EU-Lieferkettengesetz und seine Dimensionen


Die endgültige Entscheidung über das lange verhandelte LKG ist am 9.2.24 vertagt worden. Deutschland und Österreich hatten sich der Stimme enthalten, die notwendige qualifizierte Mehrheit (50% der Staaten mit 65% der EU Bevölkerung) war nicht in Sicht. Die belgische Ratspräsidentschaft will am 14.2. noch einmal abstimmen lassen.

Das LKG muss man auf mehreren Ebenen diskutieren:

1. Implementierung der ESG (einvornment, social, good governance) Gesetzgebung.
Dabei geht es darum, die verbalen Verpflichtungen der Länder, künftig ihre Unternehmen auf umwelt-, sozial- und good-governance Standards zu verpflichten, die die Länder vor Jahren eingegangen waren, zu konkretisieren.
Durch das LKG sollen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern (wenn sie in „Krisenbranchen“ arbeiten mehr als 250 Mitarbeiter) verpflichtet werden, bei ihren Vorlieferanten bis hin zu den Rohstofflieferanten dafür zu sorgen, dass weder Kinder- noch Gefangenenarbeit in diesen Unternehmen geleistet wird, dass relevante Umweltstandards eingehalten werden und die Unternehmen moderne Geschäftsorganisation, Beschaffungsmethoden, etc. einhalten und relevante Berichte liefern können.

Damit sollen EU-Unternehmen sicher sein, dass nicht nur sie selbst, sondern alle ihre Lieferanten modernen Standards entsprechen. Damit soll auch Druck auf Unternehmen und ihre Lieferanten ausgeübt werden, Menschen- und Umweltrechte zu achten. Die EU-Unternehmen müssen neben den Berichten zur Lieferkette auch für sich selbst darlegen, wie sie die Pariser Umweltziele erreichen werden.

2. Die Zeitebene
Da geht es darum, ab 2026 sukzessive die Unternehmen zu verpflichten, einschlägige Berichte zu liefern. Bei Nichterfüllung können signifikante Sanktionen in Kraft treten.

Es geht also nicht darum, wie Gegner suggerieren, sofort neue Standards in Angriff zu nehmen, sondern dies schrittweise über mehrere Jahre zu implementieren, damit Unternehmen Zeit haben, sich auf diese neuen regulatorischen Erfordernisse einzustellen.

3. Die geopolitische Ebene

In den Diskussionen um eine zukünftige Weltordnung oder unordnungg werden die Größe einzelner Wirtschaften, ihre „Wettbewerbsfähigkeit“ (im konservativen Sprech ist damit preisliche Wettbewerbsfähigkeit gemeint, als relativ billiger als Konkurrenten anbieten zu können) als relevant für die „Macht“ einzelner Länder und Blöcke genannt. Viel häufiger wird argumentiert, dass zB die chinesische Wirtschaft durch ihre Raschheit bei neuen Produkten die später weltweiten Standards für Produkte durchsetzt und damit Wettbewerbsvorteile hat. Die Europäische Union, die in diesem Hegemonialwettbewerb üblicherweise als schwach oder irrelevant bezeichnet wird, hat jedoch etwa durch ihre DatenschutzGrundverordnungg oder die Regelungen für Künstliche Intelligenz weltweite Standards gesetzt, ebenso wie durch ihren CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM), der ab 2026 von Ländern, die Produkte mit niedrigeren Umweltstandards als in der EU in diese exportieren wollen, entsprechende Zölle einheben wird, um damit die Kostennachteile der EU-Produzenten auszugleichen. Mit solchen „Standardsetzungen“ gelingt es der EU, trotz schwacher militärischer Verteidigung, trotz ihrer schwierigen und langsamen Abstimmungsprozesse unter 27 Mitgliedern starke Präsenz auf internationalen Märkten zu zeigen, und andere Länder dazu anzuregen (oder zu zwingen) ähnliche Standards einzuhalten.

Gerade diese geopolitische Positionierung zeigt, dass die derzeitige Blockade von Österreich, Deutschland und anderen, die auf massives Lobbyring der Unternehmerverbände zurückgeht, gegenproduktiv und äußerst kurzsichtig ist. Abgesehen davon, dass diese Blockade bei vielen EU-Partnern Unmut über diese sehr späten Einwände hervorgerufen hat, nachdem beide Länder bei den zweijährigen Verhandlungen über Kompromisse mitgewirkt und damals keine Einwendungen eingebracht haben, ginge hier auch ein wichtiges „Alleinstellungsmerkmal“ europäischer Unternehmen verloren, welches sehr wohl neue Geschäftschancen ud Direkt-Investitionspotenziale für Europa eröffnen könnte. Von der „moralischen“ Verpflichtung unserer Unternehmen, die oft als Lippenbekenntnisse geäußerte Bedeutung der Einhaltung von menschenrechtlichen und ökologischen Standards endlich in die Praxis umzusetzen, ganz zu schweigen.

Dass damit neue Berichtspflichten auf die Unternehmen zukommen, die auch Kosten verursachen, bleibt unwidersprochen. Doch sind die geplanten Umsetzungsschritte nach den jahrelangen Verhandlungen und vielen Einwänden so gewählt, dass die Positive dieser wichtigen Initiative jedenfalls die Negativa übersteigen. Dafür haben Kommission, Parlament und die gemeinsamen Verhandlungen schon gesorgt.

1 Comment

Filed under Climate Change, European Union, Global Governance, Socio-Economic Development

One response to “Das EU-Lieferkettengesetz und seine Dimensionen

  1. Toni Rainer

    Oeconomia olet und “die Wirtschaft” in Österreich wil – mit Kochers Unterstützung, dass das so bleibt.

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