It is short-term business interests, stupid!


Die Paraphrase über Bill Clinton’s Sager „It’s the economy, stupid!“ passt gut zur derzeitigen Regierungspolitik: den kurzfristigen Interessen der „Wirtschaft“ wird der langfristig notwendige Umbau der Wirtschaft in tragfähige Strukturen geopfert.

Dazu zwei rezente Beispiele:

1. Das Wohnbaupaket: wie in meinem kürzlichen Blog „Wohnbaupaket: Wo bleibt die Klimapolitik?“ (https://wordpress.com/post/kurtbayer.wordpress.com/3823) ausgeführt, verabsäumt dieses Programm es, die mehr als 2 Mrd € für einen grundlegenden Systemwechsel der Bauwirtschaft in Richtung Klimaschutz und Umwelterhaltung einzusetzen. Zwar gibt es einige kleinere Zuckerln für die Grüne Klientel, doch insgesamt handelt es sich um „Mehr vom Gleichen“, um weitere Betonbauten, um weitere Verhüttelung der Landschaft, um weiteren Bodenverbrauch. Eine riesige vertane Chance, argumentiert, wie schon bei den ebenso versemmelten Corona-, Energie- und Inflationshilfen damit, dass es „rasch gehen müsse“. Ja, Österreichs Regierung opfert die Zukunft des Landes kurzfristigen Interessen. Natürlich brauchen wir Wohnraum, natürlich (?) brauchen wir Arbeitsplätze im Bausektor, aber warum werden mit einem solchen Programm – immerhin im Ausmaß von 5% eines Jahres-BIP – nicht die notwendigen Weichen für eine bessere Zukunft gestellt?

2. Österreich Enthaltung (sprich Nein) zum EU-Lieferkettengesetz. Nicht nur, dass Österreich (wie auch Deutschland und Italien, die sich am 28.2. ebenfalls enthalten haben) sich in den bisher zweijährigen Verhandlungen konstruktiv an den bisherigen Kompromißlösungen beteiligt hat und erst jetzt umspringt, ist es auch inhaltlich eine vergebene Chance, Umwelt-, Klima- und Menschenrechtsverletzungen bei den Zulieferern österreichischer und EU-Unternehmen zu unterbinden. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung haben hier massiv lobbyiert und „ihr“ Wirtschaftsministerium zum Nein vergattert. Die Chance, dass dieses Gesetz in der derzeitigen Legislaturperiode des EU-Parlaments noch – in weiter abgespeckter Form – positiv entschieden wird, ist damit fast Null. Das Argument, dass dieses Gesetz vor allem Klein- und Mittelunternehmen zu große Lasten auferlege, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Allerdings hätte sich Österreich dafür einsetzen können, dass die Wirtschaftskammer als Serviceorganisation hier wichtige Beratungs- und Informationsleistungen für ihre Mitgleider einbringen und damit es den KMU erleichtern könnte. Auch eine Reihe anderer konstruktiver Vorschläge stand im Raum, denen Österreich jedoch nicht nähertreten will.

3. In der globalen Diskussion über „Nachhaltigkeit“ geht es primär um den Umbau der Wirtschaft in Richtung Ökologie und Digitalisierung. Der EU Wiederaufbaufonds RRF „Neue Generation“ hat diese beiden Richtungen zum Ziel. Österreich erhält aus diesem 800 Mrd € schweren Fonds zwar nur knapp 3 Mrd (etwa 0.9% des 2021 BIP, im Gegensatz zu Italien, welches 200 Mrd €, 11% des BIP lukriert), setzt aber seine eigenen Budgetmittel nur zu einem geringen Grad für solche Zukunftsorientierung ein: statt dessen wurden in den letzten Jahren 50 Mrd € als Corona-, Energie- und Inflationshilfen ausgegeben, davon fast nichts investitionswirksam, nichts davon „umbauwirksam“, und derzeit noch einmal 2 Mrd € für ein gestriges Bauprogramm. Österreichische Forschungseinrichtungen darben, der Bildungs- und Ausbildungssektor stöhnt, das Gesundheitssystem und besonders das Pflegesystem zeigen Anzeichen von Ausrinnen – und die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung CO2-Neutralität, Umwelterhaltung und Digitalisierung bleibt auf der Strecke. Österreichs Regierung schafft es nicht – oder will es nicht – den Umbau ernsthaft zu beginnen. Wenn er nicht „here and now“ in Angriff genommen wird, bleibt Österreichs Gesellschaft auf der Strecke. Wahlzuckerln zu verteilen, kann sich das Land nicht länger leisten. Die Zukunft hat schon lange begonnen. Der Bundeskanzler hat in einem Fernsehinterview von der Gefahr gesprochen, dass Österreich Erfahrung hätte, in einen Krieg „hineinzuschlittern“. Was er hier richtig (in Hinblick auf den 1. Weltkrieg) angesprochen hat, hätte er und sollte er auf die Erhaltung der Nachhaltigkeit anwenden. Er tut es nicht, die „Wirtschaft“ will es nicht.

1 Comment

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One response to “It is short-term business interests, stupid!

  1. Gabriele Matzner

    Danke, leuchtet ein, irgendwie alles sehr deprimierend….Windmühlen, Sisyphus…. alles Gute Gaby

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