Gipfel, Wälder, Fisch und Meer in Madeira


Als sonst Nicht-im-Winter-in-den-Süden-Flieger brachte mich die Abwesenheit der Kinder zu Weihnachten, sowie der Schneemangel in den Alpen vor den Weihnachtstagen nach Madeira. Das erwies sich als eine ausgesprochen gute Idee, da alles wie am Schnürchen klappte. Ein kleines Hotel mit familiärer Atmosphäre und einem subtropischen Pflanzenparadies, eine fantastische Landschaft, die an der Südküste an die Amalfi-Küste erinnert, tolle Bergwanderungen und sehr viele sehr gute und sehr frische Fische zum Abendessen. Dazu kam ein frühlingshaftes Wetter zwischen 15 und 20 Grad.

Madeira profitiert offensichtlich gewaltig von den EU-Strukturfonds, da die größeren Straßen Mitteleuropa-Niveau haben, viele neue Tunnelbauten und einige Autobahnen das Land durchziehen und vor allem die Südküste extrem gepflegt und sauber ist. Der Tourismus als Haupteinnahmequelle dürfte dazu einiges beitragen, ebenso wie die Ansiedlungspolitik als Quasi-Steueroase. Winter ist nicht die Haupt-Tourismussaison, viele der etwa 35.000 Hotel- und Apartmentbetten stehen derzeit leer, allerdings dürfte auch die Krise in Europa (und natürlich jene Portugals) zum Leerstand beitragen.

Abenteuerlich sind die Fahrten zu den Ausgangspunkten der Wanderungen in die höchsten Berge (Pico Grande, Pico Areiro und Ruivo: zwar fast durchgehend asphaltiert, aber so eng und steil, daß sie nur im 1. Gang bewältigbar sind. Da die Stadt Funchal und die Straßen natürlich vor dem 20. Jahrhundert, also vor der Autozeit angelegt wurden, aufgrund der Steilheit außerhalb der Stadt die Häuser der Orte entlang der Straße gebaut sind – und daher alle Autos auf der Straße parken, hoffet man beim Hinaufzittern immer, daß kein Gegenverkehr einen zwingt, bei der extremen Steilheit neu anfahren zu müssen. Immer wieder sagten wir uns: wie gut, daß es hier keinen Schnee und kein Eis auf den Straßen gibt. Sie wären absolut unpassierbar.

Auch die Bergwege sind zum Teil gewöhnungsbedürftig, da sie vielfach gebaut, mit Steinplatten belegt und mit Stufen versehen sind. Oft wünscht man sich einen Naturweg a la Alpen. Die Landschaften jedoch sind grandios: die Berge sind bis weit hinauf durchgehend terrassiert, allerdings sind sehr viele Terrassen verkommen und nicht mehr bewirtschaftet. Ursprünglich waren dies neben Subsistenzlandwirtschaft vor allem Zuckerrohrplantagen, Bananen und Anbauflächen anderer Obstarten, die teilweise bei uns unbekannt sind: Onana, Guava und eine ganze Reihe anderer. Von den höchsten Berggipfeln (über 1850 m, steil vom Meer aufsteigend) sieht man immer wieder aufs Meer hinaus, auf dem die Sonne blitzt. Ungewohnt früh muß man dort hinauf, da am Nachmittag oft Wolken die Gipfel einhüllen, worauf nicht nur die Sicht gefährlich schlecht, sondern es auch ungemütlich kalt wird.

Die zweite Wanderattraktion neben den Gipfeln in der Inselmitte sind die Wanderungen entlang der Levadas, ursprünglich von afrikanischen Sklaven erbauten Wasserkanälen, die in großer Anzahl Wasser von den Bergen in die unten gelegenen Felder bringen, teilweise von Genossenschaften verwaltet wurden, die auch die Wasserverteilung gemeinschaftlich regulierten. Versuche der den portugiesischen Faschisten nahestehenden Statthalter in den frühen 60er Jahren, das Wasser zu privatisieren, bzw. die Kanäle zu sperren, führten zu Demonstrationen, Gewaltübergriffen der Milizen, aber letztlich zu einer Rückgabe an die Bevölkerungen, und somit zu frühen Demokratisierungen und erfolgreichen Versuchen, oligarchenähnliche Verhältnisse nach der Revolution zu verhindern. Entlang der Levadas, die viele hundert Kilometer lang sind, sind teilweise Gehwege ausgebaut, die tief in die Eukalyptuswäler und anderen Gehölze führen, oft durch Tunnels gehen, immer wieder durchschnitten von Wasserfällen. Im Hinterland gibt es noch einige kleine bewirtschaftete Bauernhöfe. Derzeit werden es wieder mehr, seit der Krise wieder früher Landflüchtige, die ihre Jobs in Funchal oder am Festland verlorenhaben, zur Selbstversorgung zurückgekehrt sind.

Die Nordküste ist ganz besonders wild, überall Steilküste und Klippen, an die das Meer mit riesiger Gewalt anschlägt. Dort ist relativ wenig Tourismus, die Dörfer haben noch eigenständigeren Charakter, und die Leute sind etwas abweisender als im Süden, wo Gastfreundschaft und Auskunftsfreudigkeit enorm positiv auffallen.

Offenbar meint man in Madeira, aufgrund der für Mitteleuropäer ungewöhnlichen Weihnachts-Witterung, besonders kitschige und große Weihnachtskrippen und Santa Kläuse mit Rentieren aufstellen zu müssen. Ein wirkliches Erlebnis ist aber der Abend des 23.12., an dem traditionell die gesamte Innenstadt Fußgängerzone wird, unendlich viele Punschstände (angenehm: frischer Fruchtsaft (Maracuja, Kiwi, Orangen und alles sonstige) mit Rum) und Weihnachts-Souvenirstände die Straßen säumen – und fast ganz Funchal, von Kleinkindern bis Großmütter dort auf den Beinen sind, trinken, kaufen und vor allem tratschen. Es geht dort so dicht zu wie in Wien beim Sylvesterpfad (bei dem ich noch nie war, den ich mir aber grauenhaft vorstelle), aber freundlich, friedlich und lachend. Erstaunlich, daß da kaum Touristen zu sehen waren.

Laut Reiseführer gibt es mehr als 450 Restaurants, die (fast) alle Fisch in allen Variationen anbieten, erstaunlicherweise meistens mit „englischem Gemüse“, also ohne jedes Gewürz gekochten Karotten, Fisolen, Kartoffeln und Kürbis. Dennoch ein Paradies für Fisch- und Meerestiere-Esser, zu Preisen, die etwa unseren entsprechen. Die großen Hotels haben Swimmingpools, es gibt auch eine ganze Reihe von öffentlichen Bädern, und in einigen geschützten Buchten könnte man auch im Meer schwimmen, wenn es wärmer ist.

Daher für all jene, die im Winter in außergewöhnlicher Landschaft schön wandern und gut essen wollen: Nix wie hin!

Achja, und zu schlechter Letzt: als Österreicher sollte man wohl auch das Grab des letzten Kaisers in Monte über Funchal besuchen. Zwar ist das in keinem Reiseführer vermerkt, aber da eine Gondelbahn hinaufführt (früher sogar eine Eisenbahn), schaute ich auch in der Kirche vorbei: vorne eine lebensgroße Skulptur Karls, in der Kirche ein Sarkophag mit einer Gedenktafel – und einige deutsche Touristen. Über Karls unsinnige zweifache Restaurationsversuche in Ungarn, seinen Konflikt mit Horthy ist dort nichts erwähnt, auch nicht, daß er sehr unheroisch ein halbes Jahr nach seiner Ankunft in Madeira 36-jährig an Lungenentzündung gestorben ist.

2 Comments

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2 responses to “Gipfel, Wälder, Fisch und Meer in Madeira

  1. gerhard weiss

    Lieber Kurt, eine kleine Ergänzung zu deinem interessanten Bericht: Beim Wandern entlang der Levadas heißt´s aufpassen bei Nebel und Regen, da sind diese so einfach wirkenden Pfade mitunter recht rutschig – mit fatalen Folgen für Touristen mit falschem Schuhwerk. Für´s wirklich schöne Baden im Meer steigt man am besten ins Fährschiff und genießt eine wunderbare, nur wenige Seemeilen weite Fahrt zur vorgelagerten Insel Porto Santo. Dort gibt´s auch flache Küstenabschnitte und Goldstrand vom Feinsten und – verwunderlich – ein ganz anderes, trockenes Klima. LG Gerhard

    • kurtbayer

      Danke, Bruder in Gedanken und Reisen! Zum Baden muss man wahrscheinlich doch noch ein paar Monate waren, aber der Tipp mit Porto Santo ist jedenfalls sehr gut.

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